Wirksamkeit der bautechnischen Prüfung
Das "Vieraugenprinzip" im Prozess der Bauvorbereitung (Planen - Prüfen) hat sich seit Jahrzehnten in der Bundesrepublik Deutschland bewährt.
Spektakuläre Einstürze von Bauwerken, wie man sie oft aus Ländern ohne ausgeprägtes Prüfsystem hört, konnten weitgehendst vermieden werden.
Der Prüfingenieur ist ein erfahrener Fachmann des Bauwesens, der sich aus eigener planerischer Tätigkeit und aus dem Prüfprozess umfangreiche Kenntnisse angeeignet hat. Gemäß Bauprüfverordnung (PPVO) erfolgt die Berufung zum Prüfingenieur nach einem strengen Auswahlprinzip.
Zu den Auswahlkriterien gehören z. B.:
- Mindestalter 35 Jahre/Höchstalter 60 (68) Jahre
- mindestens zehn Jahre Berufserfahrung in Statik, Prüfung und technischer Bauleitung
- Ablegung einer schriftlichen Prüfung auf hohem Niveau.
In der Regel sind es nur deutlich unter 50 % der Antragsteller, die den hohen Anforderungen an die Zulassung als Prüfingenieur gerecht werden.
Damit ist die Gewähr gegeben, dass die vom „gelisteten“ Ingenieur, teils auch von „beliebigen Personen“ erarbeiteten Unterlagen der Tragwerksplanung im Bauwesen von fachlich hochqualifizierten Ingenieuren geprüft und für die Bauausführung freigegeben werden. Gleichzeitig überwacht der Prüfingenieur kritisch die planungs- und normgemäße Ausführung auf der Baustelle.
Dieses bewährte Prinzip wird immer wieder von einflussreichen Kreisen aus Politik und Wirtschaft angezweifelt mit der Begründung:
– Der Prüfprozess verlängert die Zeit für die Bauvorbereitung, und die Baugenehmigung wird unnötig bürokratisiert – Die Prüfgebühren verteuern unnötig die Baumaßnahmen – Ein Ingenieur muss in der Lage sein, ohne zusätzliche Prüfung fehlerfreie Unterlagen für die Bauausführung zu erarbeiten.
Die immer wieder neu angeregte Diskussion zum „Vier-Augen-Prinzip“ war für die Prüfingenieure des Landes Brandenburg Anlass, im Rahmen einer statistischen Untersuchung die Leistungen des Prüfingenieurs zu analysieren und Belege für die Bedeutung des Prüfprozesses bei der Verhinderung von Bauschäden zu sammeln.
Es kam den Verfassern darauf an, herauszuarbeiten, wo in der Tragwerksplanung und Bauausführung die meisten Fehler auftreten und zu ermitteln, welcher Schaden entstanden wäre, wenn man auf das Prüfen verzichtet hätte.
Die Untersuchung erfolgte getrennt für die Bauwerksklassen II und III sowie IV und V. Für die statistische Untersuchung wurde den Prüfingenieuren ein Zeitraum von 6 Monaten vorgegeben. Erfasst wurden die Prüfobjekte, die in diesem Zeitraum mit der Bauabnahme abgeschlossen wurden, auch wenn die Beauftragung und die Bearbeitung teilweise vor diesem Zeitraum erfolgte.
Die Ergebnisse sind in den Bildern 1 a – c ausgewertet. Bild 1 a zeigt die Fehlerhäufigkeit in ,,%,, bei der Prüfung von bautechnischen Unterlagen. Die Fehler häufen sich in der Bauwerksklasse II bei Lastannahmen (20,1 % der eingereichten Objekte), bei der Festlegung des statischen Systems (15,6%), bei der Bemessung (19%) und den konstruktiven Details (15 %).
Die im Bild 1 b dargestellten Fehler bei der Bauüberwachung häufen sich bei Bewehrungsabnahmen (9,5 %), Querschnittsabmessungen (10,1 %) und Verbindungen (12,7 %) – bezogen auf die Anzahl der geprüften Bauvorhaben.
Bild 1 c zeigt die durch den Prüfprozess verhinderten Schadensfolgen. Obwohl von Architekten, Bauingenieuren und auch Bauherren behauptet wird, dass bei solchen einfachen Bauwerken, wie beispielsweise Eigenheimen, das Prüfen nicht notwendig ist, zeigt die statistische Auswertung, dass bei 2,7 % der geprüften Objekte Einsturzgefahr bestanden hätte und bei 16,2 % erhebliche Schäden mit örtlicher Auswirkung entstanden wären.
Um eine finanzielle Größenordnung des verhinderten Schadens zu erhalten, wurde der Rohbauwert der Gebäude zugrundegelegt. Dabei wurde davon ausgegangen, dass im Fall a 40 % des geschädigten Gebäudes erneuert werden muss, dass im Fall b 20 % auszubessern ist und dass im Fall c eine 5 %-ige Gebäudesanierung erforderlich ist.
Diese Werte sind zwar willkürliche Annahmen, aber der eventuelle Sanierungsaufwand ist damit eher zu klein als zu groß angenommen. Legt man diese Kenngrößen zugrunde, so ergibt sich für die geprüften 2.590 Gebäude der Bauwerksklasse II ein verhinderter Schaden von ca. 27,5 Mio. DM ( 6,4 % des Gesamtrohbauwertes).
Gemäß einer Statistik des Landesamtes für Bauen, Bautechnik und Wohnen (Bautechnisches Prüfamt Cottbus) wurden im Jahre 1996 ca. 14.900 Bauwerke der Bauwerksklasse II mit einem Rohbauwertvon ca. 2,47 Mrd. DM errichtet. Daraus ergibt sich ein verhinderter Schaden von ca. 158 Mio. DM.
Für die statistische Untersuchung von Gebäuden der Bauwerksklasse IV wurde in gleicher Weise verfahren. Die Ergebnisse zeigen die Bilder 2a – c. Gemäß einer Statistik des Landesamtes für Bauen, Bautechnik und Wohnen (Bautechnisches Prüfamt Cottbus) wurden im Jahre 1996 in der Bauwerksklasse IV Bauwerke mit einem Gesamtrohbauwert von ca. 2,95 Mrd. DM geprüft. Hier ergibt sich ein verhinderter Schaden von ca. 260 Mio. DM.